„Nur die wenigen, die für ihre eigene Immunform
das metaphysische Format benutzen
– für die Buchgläubigen, die Geistreichen, die Überreizten –
stellt sich nach Abschaffung der kosmischen Hülle
auch in existentieller Form die Frage, ob sie sich
transformieren können in Wesen, die mit
der neuen Wahrheit ihr Auskommen finden.“

Peter Sloterdijk

WERKLAUF

„Nur die wenigen, die für ihre eigene Immunform
das metaphysische Format benutzen
– für die Buchgläubigen, die Geistreichen, die Überreizten –
stellt sich nach Abschaffung der kosmischen Hülle
auch in existentieller Form die Frage, ob sie sich
transformieren können in Wesen, die mit
der neuen Wahrheit ihr Auskommen finden.“

Peter Sloterdijk

Wie können Menschen an den Punkt herangeführt werden, wo sie knallhart sozusagen die Erde berühren, die Materie berühren? Das ist ein Inkarnationsprozeß. Der Materialismus ist – so gesehen – eine christliche Methode. Ohne Christus kein Materialismus. Aber da darf man nicht stehen bleiben. Das ist nur ein emanzipatorischer Prozeß, um zur Individuation zu kommen und nicht in den alten Kollektiven hängenzubleiben. So war es eben vor Plato und Sokrates. Man ließ sich von einem Hohenpriester, von einer Autorität führen.
Harlan, Rappman, Schata: Soziale Plastik, Materialien zu Joseph Beuys, Achberg 1984

 

„Mein intellektuelles Lebenswerk … hat der Klärung oder Enträtselung einer halbintuitiven Einsicht gegolten … der Entdeckung des Transzendentalsubjekts in der Warenform, eines Leitsatzes des Geschichtsmaterialismus.“ „Der Tauschwert ist Teil des Warentauschs, wie der reine Verstand Teil der Tauschabstraktion ist. Er ist, was sein Name besagt – Tausch=Wert. Er ist die kennzeichnende Eigenschaft, die den Waren zukommt dadurch, daß sie Gegenstände einer Tauschhandlung im Unterschied zu Gebrauchshandlungen werden. Daher die Unanschaulichkeit des Tauschwerts, seine gesellschaftliche Allgemeinheit und die ausschließlich quantitative Dimension, die ihm eignet. Seine Identität gilt in einem Tauschakt so gut wie in einem andern. Seine Vergegenständlichung ist das Geld.“ „Fern davon also, der Glanzpunkt der geistigen Autonomie des Menschen zu sein, die der Idealismus darin erblickt, setzt das Verstandesvermögen des zivilisierten Menschen nach der hier vertretenen Auffassung das Maß der auch von Marx nicht voll erkannten Tiefe und Undurchsichtgkeit der Verdinglichung voraus.“
Sohn Rethel: Geistige und körperliche Arbeit, Weinheim 1989

„Nietzsche hat so scharf wie wohl sonst nur noch Goethe und Chamisso, Marx und Max Weber erkannt, welche erkenntniskritischen und kryptotheologischen Implikationen die Umstellung von Metaphysik auf Meta- und Megafiskalismus in sich birgt. Aber er hat darauf verzichtet, diese Erkenntnis entschieden zu Ende zu denken, und d. h. Geld als Medium der Befreiung von metaphysischer Fixierung zu begreifen. Seine Geldkritik ist nicht sonderlich originell. Nietzsche ist vielmehr so chrematophob wie Sokrates und Plato.“
Hörisch: Kopf oder Zahl, Die Poesie des Geldes, Ffm 1998

„Das Geld, das heute noch ein Wirtschaftswert ist und dort Unheil stiftet, weil mit ihm gekauft, spekuliert werden kann und eine Polarisierung der Menschen in Arbeitnehmer und Arbeitgeber stattgefunden hat, muß aus dieser Position heraus und in das hineingebracht werden, was es auf dem gegenwärtigen Bewußtseinszustand der Menschen seiner Gegebenheit nach ist: ein Rechtsregulativ für alle kreativen Prozesse. D. h., das Geld muß in der Totalität Berechtigungen und Verpflichtungen ausdrücken.“
In seinem gesamten Lebenswerk ging es Beuys um nichts weniger „als um einen Kunstbegriff, der die Kapitalfrage lösen kann. Aus! Damit ist alles gesagt.“(Beuys)
Beuys, Bethmann, Binswangen, Ehrlicher, Willert: Was ist Geld? Eine Podiumsdiskussion, Wangen 1991

„Die unmittelbare Form der Warenzirkulation ist W-G-W, Verwandlung von Ware in Geld und Rückverwandlung von Geld in Ware, verkaufen, um zu kaufen. Neben dieser Form finden wir aber eine zweite spezifisch unterschiedene vor, die Form G-W-G, Verwandlung von Geld in Ware und Rückverwandlung von Ware in Geld, kaufen, um zu verkaufen. Geld, das in seiner Bewegung diese letztre Zirkulation beschreibt, verwandelt sich in Kapital, wird Kapital und ist schon seiner Bestimmung nach Kapital.“
„Die einfache Warenzirkulation – der Verkauf für den Kauf – dient zum Mittel für einen außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck, die Aneignung von Gebrauchswerten, die Befriedigung von Bedürfnissen. Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos.“
Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, Berlin 1977

British Museum

der stein von rosette
schlüssel zur entzifferung
der hieroglyphen
das verlängerte oval
die kartusche enthält die
quintessenz

there is only
this one world
there are lots
of scaffolding
walks

world-scaffolding-walks
welt-gerüst-welt gegen den strich

w-g-w‘

Davin: Notizen 6, unveröffentlicht, 97-02-21
„In dem zinstragenden Kapital endlich stellt sich die Zirkulation G-W-G‘ abgekürzt dar, in ihrem Resultat ohne die Vermittlung, sozusagen im Lapidarstil, als G-G‘, Geld, das gleich mehr Geld, Wert, der größer als er selbst ist. In der Tat also ist G-W-G‘ die allgemeine Formel des Kapitals, wie es unmittelbar in der Zirkulationssphäre erscheint.“
Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, Berlin 1977

„Ich komme so betrachtet zu der Vorstellung, daß das, was sich von oben nach unten ernährt, ganz bis auf die Basis herunterkommen muß, daß Produktivität im Wirtschaftsleben erkannt werden muß als eine Produktivität im Kulturellen, d. h.
Kreativität = Volksvermögen.
Diese Formel könnte man hier aufstellen. Je höher die Kreativität der Menschen ist, um so höher ist das Volksvermögen, um so höher ist die Fähigkeit, die Dinge so zu regeln, daß sie in höchstmöglichem Maß produktiv und effektiv werden im Sinne aller.“
Kreativität = Volksvermögen = Kapital
Harlan, Rappman, Schata: Soziale Plastik, Materialien zu Joseph Beuys, Achberg 1984

„Unübersehbar ist an neuester Literatur zumal, daß sie so aufmerksam die mediale Überformung des Geldes beobachtet, wie die ältere Literatur die monetäre Überblendung religiöser Ontosemiologie registrierte. Vieles spricht in der Tat dafür, daß das abendländische Projekt der Entfaltung einer verbindlichen Ontosemiologie in den sog. Neuen Medien einen prekären Abschluß und zugleich seine Destruktion erfährt. Gott, Geld und Subjekte, die Sein auf Sinn et vice versa beziehen wollen, werden gemeinsam in Informationen aufgehen.“

„Erlöst werden kann nur, wer der universalen Mobilmachung der Neuzeit, die im triumphalen Zeichen der monetären Äquivalenz steht, die Anerkennung als quasi-transzendentales Apriori nicht versagt und sich dennoch abgründig seines Daseins freut.“
Hörisch: Kopf oder Zahl, Die Poesie des Geldes, Ffm 1998

„Als unseres Lebens Mitte ich erklomm,
befand ich mich in einem dunklen Wald,
da ich vom rechten Wege abgekommen.

… Dort schritten wir hinaus, zu schaun die Sterne.“
Dante: Die göttliche Komödie

„Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems.“
Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, logisch-philosophische Abhandlung, Ffm 2003, S. 111

 

Osziquinthese

in der welt gegen den strich endlich stellt sich der lebenslauf werklauf w-g-w‘ abgekürzt dar, in seinem metaFORMat, sozusagen im lapidarstil, als w-w‘, welt, die gleich lebenswelt, leben, das vielfältiger als es selbst ist und sich von allen seiten her ernährt. in der tat ist w-g-w‘ eine FORMel der poesie, wie sie hier unmittelbar im wechselhaften austausch des lebens werkes erscheint.

Perspektivwechsel

„Kinder vor dem Alter von etwa dreieinhalb Jahren sind naive Realisten. …
Mit dem Einsetzen einer Theory of Mind im vierten Lebensjahr ändert sich das. Kinder fangen nun an zu verstehen, dass ihre Bewusstseinsinhalte das Ergebnis von Denkvorgängen und Wahrnehmungsakten sind. Das naiv für wahr Gehaltene relativiert sich dadurch zur Meinung, zur Ansicht. … Ferner zeigen sie jetzt erst echte Perspektivübernahme, indem sie nicht nur begreifen, ob der andere etwas sieht oder nicht, sondern auch eine zutreffende Vorstellung davon entwickeln, was er sieht.“

Doris Bischof-Köhler: Kinder auf Zeitreise – Theory of Mind, Zeitverständnis und Handlungsorganisation, Bern 2000, S. 11/12

  • Unterschiede als Chance
  • Vielfalt als Reichtum
  • Osziquintiersensibel1
  • Umgang mit Nicht-Wissen
  • Einsicht in die persönliche Weltanschauung

1Übergang des Geistigen einer dysfunktionalen Mentalstruktur durch zentripetal geistreiches Variieren des Geistigen in eine komplexere Mentalität, die für das Geistige, nicht aber für die dysfunktionale Mentalstruktur, kontingent ist.

„Als  > Mentalisierung < – ein Konzept, das den Entwicklungspsychologen vertraut ist –

bezeichnen wir den Prozeß, durch den wir erkennen, daß unser Geist unsere Weltwahrnehmung vermittelt. Mentalisierung hängt unauflöslich mit der Entwicklung des Selbst zusammen, mit seiner zunehmend differenzierteren inneren Organisation und seiner Teilnahme an der menschlichen Gesellschaft, einem Netzwerk von Beziehungen zu anderen, die diese einzigartige Fähigkeit ebenfalls besitzen.“

Peter Fonagy, Györgly Gergely, Elliot L. Jurist, Mary Target: Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst,
Stuttgart 2008, S. 10,11

Diversphären | Einleitung

Mit Diversity (verschiedenartig oder abwechslungsreich gestalten) werden viele Lebens- und Arbeitsfelder angesprochen. Personal- und Organisationsentwicklung von Vereinen, Verwaltung und Unternehmen sowie individuell persönliche Geisteshaltungen gestalten – Diversity beschreibt Vielfalt als Reichtum und Unterschiede als Chance.

Im vorliegenden Diversityansatz wird der Aspekt „Geistes-Haltung“ fokussiert:

  • Hat sich ein Ich mit Empathiefähigkeit manifestiert?
  • Erwächst in der Fähigkeit zur Mentalisierung die subjektive Verarbeitung von Vielem?

Diese Differenzierung eröffnet vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten in einer offenen Gesellschaft. Am konkreten Beispiel des Amsterdamer Vertrages Artikel 13 wird verdeutlicht, was Kommunikation mit den vielen unterschiedlichen Lebenswelten und –formen unter besonderer Berücksichtigung des Merkmals Welt-Anschauung beinhaltet.

Der Mensch handelt in seiner Umwelt und die Umwelt beeinflusst den Menschen. Betrachtet wird das Transaktionsfeld von Mustern und Regeln im Zusammenwirken von Menschen. Die nach systemischen Prämissen ablaufenden Prozesse werden auf Kontingenz hin fokussiert – Managing Diversity.

Die Begriffe Basis, primäres Dual, Viele, Differenz und Transaktion lassen im Durchgang des Nullpunktfeldes jene fundamentalen Anschauungen im Menschen aufscheinen, die im wieder durchgehen (religio v. relegere) aufzeigen, dass Bewusstseinsinhalte subjektiv sind.

Primäres Dual

Beschrieben wird, dass es eine Entsprechung im Mikro- und Makrobereich des menschlichen Lebens – Mesobereich – gibt.

„An der Basis der Materie sind Zeit und Raum noch nicht streng geschieden, sie sind erst im Entstehen, daher können sie, wie Heisenberg gelegentlich gesagt hat, als > verwischt < erscheinen. Welle und Teilchen > oszillieren < zwischen Zeit und Raum, oszillierend zeigen sie deren wechselseitiges Entstehen und Vergehen an. … In beiden Fällen müssen die fundamentalen > Anschauungsformen <, so wie sie noch Kant gefordert hatte, als Äquivalent betrachtet werden. Raum und Zeit sind zwei Aspekte ein- und derselben Sache.“
Wolfgang Kaempfer: Die Zeit und die Uhren, Ffm 1991, S. 95-97

An dieser Stelle wird der Annahme von P. Sloterdijk gefolgt, im Ursprung der menschlichen Entwicklung von einer „primären Dualkonstruktion“ auszugehen: „Wo die Zwei am Anfang steht, wäre es abwegig, eine Aussage darüber zu erzwingen, welcher Pol im Innern des Duals angefangen hat. Natürlich muß der Mythos sagen wollen, wie alles begann und was das Erste war – hier wie überall. Aber indem er dies im Ernst versucht, muß er nun auch von einem ursprünglichen Hin und Her reden, bei dem es keinen ersten Pol geben kann. Das ist der Sinn der biblischen Rede von Ebenbildlichkeit.
Sie wird nicht meinen, daß der Schöpfer ein mystischer Solo-Androide gewesen wäre, der irgendwann der Laune erlag, seine Erscheinung – wem denn erscheinend? – auf irdische Körper durchzupausen; dies wäre ebenso absurd wie der Gedanke, der Gott könne sich nach der Gesellschaft von nicht-ebenbürtigen, formalähnlichen Lehmfiguren gesehnt haben. Nicht hohle Menschenpuppe ist es, was die Erschaffung von Subjektivität und gegenseitiger Beseeltheit meint. Ebenbildlichkeit ist nur ein steif optisierender, ein dem Kunstwerkstättenjargon verhafteter Ausdruck für ein Verhältnis pneumatischer Gegenseitigkeit. Das intime Kommunizierenkönnen in einem primären Dual ist Gottes Patent. Es deutet nicht so sehr auf eine visuell erfahrbare Ähnlichkeit zwischen Urbild und Abbild hin als vielmehr auf die ursprüngliche Ergänzung Gottes durch seinen Adam und Adams durch seinen Gott. Hauchwissenschaft kann nur als Theorie der Paare in Gang kommen.“
Peter Sloterdijk: Sphären Mikrosphärologie Bd. I, Blasen, Ffm. 1999, 4. Aufl., S. 41

Diese Annahme expliziert zwei Aspekte, die für die Integration des Anderen in die menschliche Entwicklung eine konstruktive Matrix entfaltet:

  • Erstens manifestiert sich in der menschlichen Daseinsform >ein Verhältnis pneumatischer Gegenseitigkeit<, das oszillierend das diskrete Andere in Erscheinung treten lässt.
  • Zweitens vollzieht sich dieser Prozess „osziquintierend“ und entmachtet damit die „griechische Manifestation“ von Dualität. 1

„Nur wenn das Subjekt sich von Anfang an in einer Struktur schützend-durchlässiger Zweiheit konstituiert hat – und die Vorzeichnung dieses Duals beginnt, wie gezeigt, im vorgeburtlichen Raum -, kann sich die Anreicherung des subjektiven Feldes durch hinzutretende Pole bis zur Gemeinschaftstauglichkeit entfalten. Die hinreichend gute Mutter ist selbst nicht die unmittelbare Zweite, sondern die Dritte im Bunde der Zwillinge, von denen das Ich der manifeste und der Urbegleiter der latente Teil sind. Mutter-und-Kind bilden immer schon ein Trio, in dem der unsichtbare Partner des Kindes mitspielt. Wird das Feld weiter aufgebaut, so fügen die Figur des Vaters ihm die vierte, die Figuren der Geschwister (als der nahen Fremden) und der Unverwandten (als der fremden Fremden) den fünften Pol hinzu. Erwachsene Subjektivität ist demnach kommunikative Beweglichkeit in einem fünfpoligen Feld. Sie ist die Fähigkeit, mit dem Genius, mit der Mutter, mit dem Vater, mit Geschwistern oder Freunden und mit Fremden in differenzierte Resonanzen einzutreten. In musikalischen Ausdrücken gesprochen, geht die elementare Entwicklung vom Duett zum Quintett. Auf jeder Stufe ist es der Begleiter, der sein Subjekt formatiert und freigibt; ein diskreter Genius evoziert ein diskretes Individuum in einer ausreichend definierten Welt.“
Peter Sloterdijk, Sphären I – Blasen, Ffm, 1999, 4. Aufl., S. 450

1Nicht Dualismus stellt im griechischen Denken das Neue dar, sondern dieser spezifische Dualismus, „daß der Mensch zu Gott und der Leib zur Seele im gleichen Verhältnis stehen wie der Sklave zu seinem Eigentümer. Die Seele ist von Rechts wegen der Herr und Meister, der Leib ihr Untertan und Sklave. Dieser Dualismus stellt im griechischen Denken etwas Neues dar.“
G. Thompson: Die ersten Philosophen, S. l99

Das Beispiel Vertrag von Amsterdam Artikel 13

Im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, abgeändert durch den Vertrag von Amsterdam, heißt es in Artikel 13, dass der Rat Vorkehrungen treffen kann, „um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Körperlichkeit, der Hautfarbe, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“

„Wo bekommt man einen Vater, wo bekommt man eine Mutter? … Es ist der Gott, der sich für dich opfert. Du wirst gerettet, weil Gott für dich gestorben ist. Stellen Sie sich vor, was so etwas nach der Auffassung der Indios bedeutete, die geglaubt hatten, man müsse sich selbst für die Götter opfern. Damals schleppte man die Indios zu den Pyramiden und riß ihnen das Herz heraus, damit die Götter leben konnten. Nun, am Kreuz auf Golgatha, bringt der Gott selbst sein Blut für die Menschen dar. Das Ende des kriegerischen Gottes Huitzilopochtli. Der Triumph Jesu Christi. Außerdem braucht man eine Mutter. … So entsteht der Synkretismus, indem Vater und Mutter durch Jesus Christus und die jungfräuliche Gottesmutter ersetzt werden und indem man in den barocken Ausdrucksformen des Christentums und in den christlichen Kirchen zuläßt, daß die Götzenbilder hinter den Altären stehen.“
Carlos Fuentes/C.v. Barloewen: Kreolische Odyssee, in: Lettre International 56,I/2002, S. 40

„Wenn ein westlicher Theologe die indische Religion zu philosophisch findet, dann meint er, Religion müsse Offenbarung bedeuten. Offenbarung im christlichen Sinne kennt aber weder der Buddhismus noch der Hinduismus. Für sie steht das Primat der Erfahrung über dem des Glaubens. Und wenn man meint, die indische Philosophie sei zu theologisch, dann weil man davon ausgeht, daß Wissen und Glauben etwas Verschiedenes seien. In der asiatischen Kultur jedoch sind Denk- und Lebensweg eng verflochten. Philosophie bedeutet auch ein Leben mit der Philosophie. Metaphysik ist für den Asiaten daher nicht bloß reine Spekulation über den absoluten Geist, sondern die spirituelle Realisation des Absoluten, mag dieses nun Dharma, Wahrheit oder Sein heißen. Auf diese Eigenheit bezog sich auch Max Scheler, als er meinte, bei den Asiaten gehe die Metaphysik der Religion vor. Im interkulturellen Dialog müssen solche zum Teil erhellenden Unterschiede respektiert und nicht gegenseitig zum Vorwurf gemacht werden.“
Ram Adhar Mall im Gespräch mit Adelbert Reif – Interkulturelle Philosophie, Vom europäischen Monolog zur universellen Kommunikation, in: Lettre International Heft 51 IV.Vj/2000, S. 89

„Die postsäkulare Gesellschaft setzt die Arbeit, die die Religion am Mythos vollbracht hat, an der Religion selbst fort. Freilich nicht in der hybriden Absicht einer feindlichen Übernahme, sondern aus dem Interesse, im eigenen Haus der schleichenden Entropie der knappen Ressource Sinn entgegenzuwirken. Der demokratisch aufgeklärte Commonsense muss auch die mediale Vergleichgültigung und plappernde Trivialisierung aller Gewichtsunterschiede fürchten. Moralische Empfindungen, die bisher nur in religiöser Sprache einen hinreichend differenzierten Ausdruck besitzen, können allgemeine Resonanz finden, sobald sich für ein fast schon Vergessenes, aber implizit Vermisstes eine rettende Formulierung einstellt. Eine Säkularisierung, die nicht vernichtet, vollzieht sich im Modus der Übersetzung. Das ist es was der Westen als die weltweit säkularisierende Macht aus seiner eigenen Geschichte lernen kann.“
Jürgen Habermas: Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, in: die tageszeitung, 15.10.01, S. 7

„Nun ist der Ausdruck >neuheidnisch< bei Habermas obendrein unglaublich parochialistisch 2 oder zumindest von einem enormen eurozentrischen Provinzialismus geprägt, weil er nicht wahrhaben möchte, was Toynbee-Leser, Leser Max und Alfred Webers, Leser der ethnologischen Bibliothek der Moderne, Leser von Marcel Granet, Leser von Heinrich Zimmer und nicht zuletzt Leser von Karl Jaspers wissen, nämlich daß seit der sogenannten Achsenzeit mindestens fünf >Kulturen des Durchbruchs< zu hochkulturellen, universalistischen, potentiell menschheitsethischen Weltauslegungen existieren. Jaspers selbst hat die Kulturen Chinas, Indiens, Persiens, Palästinas und Griechenlands aufgezählt, während andre Autoren, insbesondere Jan Assmann, darauf hingewiesen haben, daß Ägypten in einer solchen Liste nicht fehlen darf. Assmann hat übrigens auch das Seine dazu beigetragen, die chronologische Mystifikation des Achsenzeittheorems aufzulösen, indem er gezeigt hat, daß die bewußten Kulturen des Durchbruchs keine andren sind als die Kulturen, die zur Schrift und damit zu einer neuen Ökologie der Erinnerung übergegangen waren. Damit sind wir nolens volens über den athenischen wie den Jerusalemer Regionalismus hinaus, um über den Frankfurter nicht zu reden. Wir hätten sechs hochkulturelle Formationen, die als Ausgangspunkte für Pfade in Weltkulturen in Frage kommen, vielleicht müssen wir sogar acht solcher Gebilde anerkennen. In ihnen allen hat sich so etwas wie der Durchbruch zum Denken des Einen oder des Umgreifenden vollzogen. Es kommt purer Provinzialismus zum Vorschein, wenn Habermas glaubt, daß Europa die einzige Kultur ist, die den Übergang zum Denken des Universalen vollzogen habe. Wir haben es mit einem Pluralismus der Universalismen auf der Erdoberfläche zu tun. Nun stellt sich die Frage: Ist es schon per se neuheidnisch, wenn man sich für außereuropäische Möglichkeiten universaler Weltauslegung interessiert, insbesondere für die chinesischen, die hinduistischen, die buddhistischen Varianten? Will man schon gleich den Sinai-Standard der Ethik abschaffen, wenn man sich als westlicher Philosoph die Freiheit nimmt, sich für die Ethik des achtfachen Pfades zu interessieren?
Peter Sloterdijk/Hans-Jürgen Heinrichs: Die Sonne und der Tod, in: Lettre International, Heft 48 I.Vj./2000, S. 36

„Die letzte Kugel erlaubt nur noch Konstrukte in der Horizontalen – was einzelne Hochbauten nicht ausschließt. Sie fördert joint ventures, interkulturelle Transaktionen unter künstlichen, nicht zu steilen Himmeln, … Aber sie entmutigt den Gedanken an eine Super-Monosphäre oder ein machthabendes Zentrum aller Zentren.“
Sloterdijk, Sphären II Globen, S. 995

„Im Gegensatz zu einer metaphysisch-rational gerahmten Welt, innerhalb derer sich die Differenzen einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven letztlich prinzipiell immer auf eine einheitliche Realität zurückrechnen lassen, bezeichnet Polikontexturalität das Nebeneinanderexistieren irreduzibler Rationalitäskontinuen, die in unterschiedlichen Systemreferenzen sozusagen je eigene Universen aufspannen. Entscheidend ist dabei die Formel: irreduzibel, aber nicht inkompatibel. …
Heteratisch ist eine solche Ordnung, weil in ihr kein dominierendes Stratum auszumachen ist (vgl. Foucault, Julia Kristeva), kein externer Referenzpunkt, aus dem heraus die Einheit des Ganzen abzulesen wäre.“
Hybride Kulturen, S. 23, Hrsg.: Bronfen, Marius, Steffen, Tübingen 1997

2parochial – zum Kirchenspiel, zur Pfarrei gehörend

Das Fünfte Feld

„Die Energien dieses Feldes tauchen auf, wenn alle anderen Energieformen verschwinden – nämlich am Nullpunkt (daher der Name). Nullpunktenergien sind > virtuelle < Energieformen und nicht dasselbe wie die klassischen elektromagnetischen, gravitativen oder nuklearen Kräfte des Kosmos. So verstanden sind sie der Ursprung jener Energien, die als Masse gebunden sind, nämlich der Materieteilchen, die das Universum bevölkern.
Die physikalischen Definitionen des Nullpunktfeldes lassen auf ein beinahe unermeßliches Meer von Energie schließen, das die Materieteilchen als Substrukturen aus seiner Tiefe emportauchen läßt.“
Ervin Laszlo: Das fünfte Feld – Materie, Geist und Leben – Vision der neuen Wissenschaft, Bergisch Gladbach 2000, S. 227

„Die Geschichte dieser Jahrhunderte beweist vielmehr, daß der Glaubensverlust die Menschen nicht auf die Welt und ein Diesseits, sondern vielmehr auf sich selbst zurückgeworfen hat. Was die Philosophie der Neuzeit seit Descartes von aller anderen Philosophie unterscheidet und worauf auch das spezifisch Neue ihrer Leistungen beruht, ist die Herausstellung und Analyse des Selbsts und des Selbstbewußtseins als eines von der Seele oder der Person oder menschlicher Existenz überhaupt durchaus geschiedenen Bereichs, und demgegenüber auf Bewußtseinserlebnisse zu reduzieren, die in einem Selbst verlaufen. Die Größe von Max Webers Entdeckung der Ursprünge des Kapitalismus ist ja gerade der Nachweis, daß eine durchaus diesseitige ungeheuere Aktivität möglich ist, ohne daß die Beteiligten sich am Diesseits zu orientieren brauchen, also ohne Sorge für die Welt, ohne Weltgenuß; daß all dies vielmehr dem Interesse an dem eigenen Selbst und der Sorge um das Seelenheil entspringen kann. Weltentfremdung und nicht Selbstentfremdung, wie Marx meinte, ist das Kennzeichen der Neuzeit.“
Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben, München 2001, 12. Aufl., S. 325

„Das Schicksal aller metaphysischen Immunsysteme entscheidet sich an der Frage, ob den großweltoffenen Wesen, den Menschen der Reichs- und Städtezeiten, der Sprung von der kollektiven Selbstbergung in befestigten Stadtgemeinschaften zur individuellen Selbstsicherung im Ganzen gelingt – jenseits der zufälligen Vaterländer. Es ist für sie von existentiellem Interesse, Klarheit darüber zu gewinnen, ob sie auch in der fernsten Fremde noch zu einem integren Leben fähig wären – eine Frage, die sich für sie verschlüsselt in die Überlegung, ob sie, die Sterblichen, die familial Abhängigen und örtlich Anhänglichen, sich mit dem äußeren Weltraum selbst befreunden könnten. Wieviel Exil erträgt der Mensch? Wieviel Entwöhnung von den ersten Orten braucht die denkfähige Seele, um zu sich zu kommen? Wieviel Entwurzelung ist nötig, um weise, das heißt schicksalsresistent, zu werden?“
Sloterdijk, Sphären II Globen, S. 355

„Das ganze Pathos des Selbstsorgegedankens zielt auf Transformation, nicht auf Vollkommenheit oder Geschlossenheit.“
Roland Reichenbach: Die Tiefe der Oberfläche – Michel Foucault zur Selbstsorge und über die Ethik der Transformation, in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik, 2000, 76(2), 177-189

Es ist ja SIE

„Jedes Leben besteht aus vielen Tagen, immer einem nach dem andern. Wir schreiten durch uns selbst dahin, Räubern begegnend, Geistern, Riesen, alten Männern, jungen Männern. Weibern, Witwen, warmen Brüdern. Doch immer im Grunde uns selbst.

… nur daß in der Ökonomie des Himmels, wie Hamlet voraussagte, es nichts von Heiraten mehr gibt, weil der verklärte Mann, ein androgyner Engel, sich selber Weib dort ist.“
J. Joycc. Ulysses

Amsterdamer Vertrag Artikel 13

Du aber, mein Freund, willst du unter den Menschen leben, so lerne verehren zuvörderst den Schatten, sodann das Geld.
a. v. Chamisso, Peter Schlehmihls wundersame Geschichte

Transaktionsfeld zur Beschreibung von Mustern und Regeln im Zusammenwirken von Menschen
(Transaktionsmuster von Beziehungen nach G. Guntern)